Dienstag, 23. April 2013

Erzkatholisch - aber böse und laut!!!

Avantasia - klingt nach Abenteuer, Fantasy und Bombast Rock. So urteilte neulich ein Freund von mir, der Avantasia nicht kannte. Und mit dieser Einschätzung lag der Gute auch richtig. Avantasia - das ist das Sideproject von Edguy Mastermind Tobias Sammet. Nein, nicht Matthias Sammer. Tobias Sammet. Sowas wie der Hofnarr des Heavy Metal. Ein workaholic vor dem Herrn. Kaum hat er eine Edguy Platte mit der zugehörigen European oder gar World Tour promotet, schon schreibt er wieder wie wild Songs für ein neues Avantasia Werk, welches sodann natürlich auch gleich mit einer Tournee um den Erdball den Fans näher gebracht wird.

Ende März 2013 war es wieder soweit. Das neueste Avantasia Opus "The Mystery of Time" steht seither in den Läden oder ist als Download verfügbar. Prompt startete dazu auch am 12. April "The Mystery World Tour", welche Tobi und seine All Star Band (dazu gleich mehr) bis 10. August in 20 Länder führen wird. Das Besondere an dieser Tour ist, daß Avantasia auf einen Support Act verzichten, um selbst drei Stunden lang auf der Bühne zu stehen. (Festivalauftritte natürlich ausgenommen).

Am 20. April machte die Rock Oper Station in Fulda, Tobi's Heimatstadt. Zusammen mit meinem Filius Hendrik machte Ich mich nachmittags auf den Weg in die alte Bischofsstadt in Hessen. Dieses Konzert war mein Geburtstagsgeschenk für Hendrik. Um etwa viertel nach vier waren wir am Esperanto Hotel mitsamt zugehöriger, 5.000 Mann fassenden gleichnamigen Halle angekommen. Schon wenige Minuten darauf trafen wir Kilian, einen Arbeitskollegen von mir und seine Schwester Regina, die ein riesiger Tobi Fan ist und auch die Edguy Konzerte besucht.

Da Hendrik und Ich Sitzplatz Tickets hatten (ja, man kann auch bei einem Metal Konzert sitzen) war es für uns unerheblich, wann wir in der Halle sein würden. Unsere Plätze waren uns ja sicher. Also erkundeten wir noch ein wenig Fulda und trafen dort auf jede Menge Avantasia- und sonstige Metalfreaks. 



Doors open war für 18:00 Uhr angesetzt, doch die Ordner ließen die wartende Menge schließlich schon einige Minuten eher ein. Nachdem wir uns nach dem Einlaß zunächst einmal ein aktuelles Tour Shirt sicherten, kauften wir uns noch etwas zu trinken und begutachteten dann unsere Sitzplätze. Genial. Beinahe mittig in der Halle mit perfekter Sicht zur Bühne und - wie sich herausstellen würde - optimalem Sound.

Wir mußten allerdings noch einmal runter ins Foyer, denn mittlerweile war Tatjana mit ihrem Mann Andreas angekommen und wir hatten uns zuvor für ein kleines Treffen verabredet. Toll, eine junge Frau Mitte 20, die auf Classic Rock, 80er Rock und Metal steht. Eine solche gibt es - leider - nicht an jeder Ecke.

Doch jetzt zur Show: 19:00 stand auf den Tickets, doch Tobi und seine Band ließen noch eine halbe Stunde verstreichen, ehe sie um kurz vor halb acht auf die Bühne kamen. Zu waberndem Nebel erklang Richard Strauss' "Also sprach Zarathustra", ehe Avantasia mit "Spectres", dem Opener des aktuellen Albums, selbst ins Geschehen eingriffen. Mit "Invoke The Machine" und "Black Orchid" - meinem persönlichen Lieblingstrack von "The Mystery of Time" wurden gleich zwei weitere Stücke des neuen Longplayers gespielt. 

Zwischenzeitlich war auch der erste Gastsänger auf der Bühne, denn Avantasia wäre nicht Avantasia, gäbe es nicht eine Reihe von Gastauftritten, sowohl unter den Vokalisten, als auch unter den Instrumentalisten. Ein Avantasia Album ist niemals eine Abfolge einzelner Songs, sondern es liegt immer ein Konzept zu Grunde. Die verschiedenen Sänger übernehmen dabei jeweils die Rolle eines bestimmten Charakters, der im Laufe der Geschichte immer wieder auftaucht.



Auf TMOT geben sich Joe Lynn Turner (Rainbow, Deep Purple), Biff Byford (Saxon), Michael Kiske (Helloween, Unisonic), Ronnie Atkins (Pretty Maids), Eric Martin (Mr Big), Bob Catley (Magnum) und die Sängerin Cloudy Yang ein Stelldichein. Kiske, Atkins, Martin und Catley sind Teil der aktuellen Avantasia Tour, dazu gesellen sich die wundervolle Amanda Somerville (Trillium) und Thomas Rettke (Heavens Gate) als Background Vocalisten, die allerdings auch ihre Leadvocal Einsätze haben. Amanda Somerville darf dabei sämtliche weiblichen Parts der diversen Avantasia Werke übernehmen.

Der erste dieser special guests war nun also Ronnie Atkins, der sehr sympathisch rüberkam und nicht nur mit Tobi scherzte, sondern auch das Publikum mit einbezog. Ihm folgte Michael Kiske, der trotz Erkältung seinen Part hervorragend meisterte. Zwischen ihm und Sammet entsann sich folgender Dialog: Kiske: "Fulda ist ja deine Heimatstadt. Und die Fuldaer sind echt nett." Sammet: "Ja, die sind nett. Aber das hier ist ein Heavy Metal Konzert. Da ist man nicht nett. Da ist man böse und laut." Und nach kurzem Nachdenken setzte er hinzu: "Erzkatholisch - aber böse und laut."

Mittlerweile auch bei älteren Songs wie "Reach out for the Light", "Breaking Away", "Scales of Justice" oder "The Scarecrow" angekommen, waren mit Bob Catley, Eric Martin und Thomas Rettke alle Sänger im Spotlight gestanden. Allerhöchste Zeit für die Powerballade "Farewell" aus dem Avantasia Debut "The Metal Opera Pt 1", wo die Holländerin Sharon den Adel (Within Temtation) einen merk - würdigen (in des Wortes wahrsten Sinne) Mittelteil singt, der hier von der stimmgewaltigen, umwerfenden Amanda Somerville übernommen wurde. Zuvor hatte die Amerikanerin mit Tobi bereits das als Single ausgekoppelte Duett "Sleepwalking" intoniert. Auch Bob Catley sei hier nochmal extra genannt. Der 65jährige Engländer ist immer noch top bei Stimme und sein Auftreten hatte schon beinahe etwas Würdevolles.

Neben den famosen Auftritten der Vokalisten darf auf keinen Fall die großartige Band vergessen werden. Neben Tobi's Edguy Kumpel Felix Bohnke an den Drums setzte sie sich aus dem von vielen Metalalben bekannten Produzenten Sascha Paeth (Leadguitars), dem vielseitigen Oliver Hartmann (Leadguitars), Andre Wagenführ (Bass) und dem Studiotechniker /  Musiker Michael "Miro" Rodenberg zusammen. Allesamt eher mehr als weniger aus dem Edguy / Avantasia Dunstkreis bekannt. Hartmann durfte auch selbst Leadvocals übernehmen. Klar, bei seiner nach ihm benannten eigenen Band ist er ja schließlich auch der Sänger.

Waren zu Beginn des Konzertes die einzelnen Gaststars noch jeweils allein mit Tobi und der Band auf der Bühne, fanden sich mit zunehmender Dauer manchmal gleich drei von ihnen zeitgleich im Rampenlicht. In immer wechselnden Kobinationen konnten sie sich durchweg alle profilieren.



Nach einundzwanzig (!!!) Songs und zweieinhalb Stunden ohne Pause war das reguläre Set des Gigs beendet. Doch nach donnerndem Applaus und lauten Zugabe, Zugabe Rufen kamen Avantasia für drei weitere Stücke auf die Bühne zurück. Unter den Extra Songs fand sich auch "The Seven Angels", einer der typischen Longtracks von Avantasia, den die Band vor dieser Tour noch nie live aufgeführt hatte.

Drei Stunden und 15 Minuten nach "Zarathustra" war mit dem Schlußakkord von "Sign of the Cross" der letzte Ton verklungen. Dreifuffzehn lang eine perfekte Metal Show. Keiner der über 4.000 Fans verließ enttäuscht den Saal. Nein, Ich habe nicht jeden Einzelnen gefragt, aber wenn ich an die zufriedenen, glücklichen Gesichter der Metalheads denke (übrigens sah Ich auch eine Frau mit Rollator im Publikum. Echt) dann weiß ich, daß ich mit meiner Vermutung nicht daneben liege.

Der gut einhundert Meter langen Schlange vor dem Kassenautomaten im Esperanto Parkhaus entgingen Hendrik und Ich, nachdem uns eine junge Frau den Tipp gab, das Parkticket doch an der Rezeption im Hotel entwerten zu lassen. Dort ging es ratz - fatz, denn kaum einer der Wartenden wusste von diesem Trick. Und so waren wir schon um zwanzig nach zwölf in der Nacht auf Sonntag wieder in der Heimat. Im (mentalen) Gepäck die Erinnerung an ein geiles Konzert von und mit AVANTASIA.                     

Hier geht's zu einer Bilderstrecke des Konzertes von der Fuldaer Zeitung

Dienstag, 16. April 2013

Prog Monster der 70er - John Lees' Barclay James Harvest in concert

Als im Oktober 2012 eine Deutschland Tournee von John Lees' Barclay James Harvest bekanntgegeben wurde und einer der Termine die Band in meinen persönlichen Lieblingsclub was Live Music Venues angeht führen würde, war für mich klar, daß ich bei diesem Event vor Ort sein würde. Der Club ist natürlich der Colos Saal in Aschaffenburg, der wenige Tage vor dem Auftritt von JLBJH mit dem LEA (= LiveEntertainmentAward) als bester Musik Club Deutschlands 2012 ausgezeichnet wurde.

Für die weniger im Classic oder Prog Rock Bereich bewanderten unter meinen Lesern sei gesagt, daß es seit 1998 zwei Bands gibt, die unter dem Namen Barclay James Harvest firmieren. Zum einen gibt es Barclay James Harvest feat. Les Holroyd, jener Bassist also auf den Hits wie "Life Is For Living" oder "Berlin" zurückgehen. In dieser BJH Variante saß Originaldrummer Mel Pritchard bis zu seinem Tode im Jahr 2004 am Schlagzeug. Zum anderen gibt es John Lees' Barclay James Harvest, eine Formation, der bis zu seinem Freitod im Dezember 2010 auch BJH Gründungsmitglied Stuart "Woolly" Wolstenholme angehörte.  

Letztere "Barclays", wie die Band gerne landläufig genannt wird (Ich selbst mag diese Bezeichnung weniger), befinden sich derzeit auf einer Tour durch Kontinentaleuropa. Die Besetzung orientiert sich dabei am ursprünglichen BJH Line Up, also mit einem Gitarristen (John Lees himself), einem Bassisten (Craig Fletcher), einem Drummer (Kevin "Kev" Whitehead) und einem Keyboarder (Woollys Nachfolger Jeremy "Jez" Smith).

Um kurz nach sieben Uhr am Samstag Abend traf ich am Roßmarkt in "Aschbersch" ein. Im BJH Forum, welchem Ich seit drei Jahren angehöre, hatten sich einige Fans zu einem Vorabtreffen in der "Jazzküche", einem Szene Treff im gleichen Gebäude wie der Colos Saal, verabredet. Ich kannte zwar noch niemanden aus dem Forum persönlich, doch mein geschultes Auge erblickte alsbald eine Gruppe BJH Fans in einschlägigen T - Shirts. Ich sprach einfach einen davon an und schon war Ich mittendrin. Monika, die Chefin der Community, 70s Dreamer (von dem auch die Bilder in diesem Blog stammen), Holger und einige andere hatten schon zueinander gefunden. Endlich kenne Ich nun auch ein paar dieser netten Leute. Das Konzert selbst erlebte Ich dann später allerdings an der Seite eines Arbeitskollegen, der mit Frau und Freunden zum Konzert gekommen war.

Um 21:04 Uhr betraten JLBJH die Bretter der Colos Saal Bühne. Eine Vorgruppe gab es nicht, wozu auch? Das Publikum, durchweg 40+ wollte ja die "alten Meister" des Prog- oder auch Art Rock hören. Obwohl Ich am Eingang des Musik Tempels zwei Burschen jüngeren Geburtsdatums (Ich tippe mal so Jg. Anfang der 80er) beobachtete, die kurz die Plakate der nächsten Live Acts im Colos Saal begutachteten und von denen schließlich einer sagte: "Wow, heute spielt BJH, das ist Musik aus den 80ern. Echt geil" und die sich daraufhin noch Tickets an der Abendkasse (einige wenige gab es noch) sicherten. "Musik aus den 80ern" ist zwar nicht gänzlich falsch, doch darf man bei einem Act wie Barclay James Harvest die 1970er Jahre auf keinen Fall unter den Tisch kehren. 




Doch zurück zur Show: Diese wurde von "Fifties Child", einem mittlerweile auch schon 30 Jahre alten Stück aus dem Album "Ring Of Changes" eröffnet. Leider habe Ich es versäumt, mir während des Auftritts die Setlist zu notieren und nach dem Gig war Ich nicht schnell genug, mir eine vom Bühnenboden zu klauben - was Ich sonst doch immer so gerne tue. Darum kann Ich hier nicht alle Songs wiedergeben und wenn, dann nicht in der entsprechenden Reihenfolge. Doch ohnehin ändern John Lees und seine Truppe die Setlist von Auftritt zu Auftritt. Da fällt schon mal was raus, andere Tracks kommen dazu oder werden an einer anderen Stelle des Konzertes zu Gehör gebracht. "Child Of The Universe", das weiß Ich ganz sicher, war das dritte Stück in Aschaffenburg.

Der Start in den musikalischen Abend war noch etwas holprig, John's Gitarre zu leise abgemischt und irgendwie knisterte es noch nicht so, wie man - oder Ich - das erwartet hatte. Damit hier keine Mißverständnisse entstehen: Dies betrifft nur die ersten Minuten, änderte sich jedoch alsbald und mit einem Male war es da. Dieses Feeling, so einzigartig, daß man es erlebt haben muß. Erklären lässt sich so etwas immer eher schlecht als recht.

Dann die nächste Irritation: Nach nur 39 Minuten verabschiedete sich der Vierer in die Pause. Kurze Hochrechnung: Nochmal etwa eine solche Spielzeit und der Spaß würde viel zu früh zu Ende sein. Die Pause dauerte nur 16 Minuten und als die Band auf die Bühne zurückkam, sollte sie dort für weitere 82 Minuten (inclusive der Zugaben) bleiben. Und in diesem zweiten Teil des Auftritts ließen JLBJH sie alle raus, die Prog Monster der 70er: "Mockingbird" in der  wundervollsten Version die Ich jemals von diesem BJH Klassiker gehört habe, "She said", "Galadriel", "For No One", ein 14minütiges "After The Day". Ich schloß die Augen und beamte mich mithilfe dieses 70er Jahre Soundtracks in ein Parallel - Universum weitab jeglicher profaner Belanglosigkeiten, die in unserer multimedialen Welt die Vorherrschaft an sich gerissen haben.




Die Flötentöne muß mir niemand mehr beibringen, doch als Ich plötzlich eben solche an meiner Ohrmuschel vernahm, öffnete Ich die Augen wieder und wollte Organist Jez Smith im Stillen bereits zu einem authentischen Flötensample auf seinem von einem angebissenen Apfel verzierten Laptop gratulieren, als Ich sah, daß der Meister höchstselbst auf den Spuren des Hamelner Rattenfängers wandelte. 

Mitten in diesem Umfeld aus Meilensteinen des BJH Backkatalogs präsentierten die Musiker ihre brandneue Single "Unreservedly Yours", die eigens für diese Tour wenige Tage zuvor via iTunes und amazon veröffentlicht wurde und sich vom Fleck weg zahlreicher Downloads erfreut.  Der Song hat einen unverkennbaren Folk Touch, reiht sich im Gesamtkontext aber problemlos in das BJH Konzept ein. 

John Lees, auch dies muß an dieser Stelle mal gesagt sein, hat seine besten Zeiten als Sänger hinter sich, angesichts seines Alters von 66 Jahren sei ihm das allerdings verziehen. Craig Fletcher, der die Centerposition auf der Bühne einnimmt (John steht links außen) und als launiger Conferencier durch das Programm führt, tritt bei geschätzt 40 % der Titel als Sänger in Erscheinung. Das macht er prima und sein englischer Humor kommt auch beim deutschen Publikum bestens an.

Mit den beiden Zugaben "Loving Is Easy" und, wie könnte es anders sein?, "Hymn" beendeten John Lees Barclay James Harvest den musikalischen Abend nach letztlich etwas mehr als zwei Stunden reiner Spielzeit. Müßig zu sagen, daß sich Band und Fans bei Hymn gegenseitig hochschaukelten. Wer da nicht mitsingt, dem ist nicht mehr zu helfen. Und wem dabei keine wohligen Schauer über den Rücken laufen, muß wohl eine Ritterrüstung dort haben, wo andere Menschen über Haut verfügen.



Apropos Publikum: Wie bereits erwähnt war der Colos Saal nicht ganz ausverkauft, allerdings denke Ich mal, daß so um die 500 Leute da waren. Damit ist die Location sehr gut besucht und auch für die Künstler auf der Bühne muß es ein zufriedenstellendes Gefühl sein, auf eine Menge ohne Lücken zu schauen. Und die Musikfreunde waren's ebenso zufrieden. Ich stand nach Konzertende einige Minuten im Auditorium, ließ das eben Gesehene und Gehörte einfach nachwirken und grinste einfach nur vor mich hin. Das könnte unter Umständen ein wenig dämlich ausgesehen haben, Ich aber war einfach nur glücklich. Und bin es bis jetzt...