Sonntag, 6. April 2014

Meet you there - Oysterband live in GiGu

20 Monate. Knapp eindreiviertel Jahre. Das kann einem nun viel vorkommen oder wenig. Mir kommt es viel vor. Denn exakt solange hatte ich die britische Oysterband nicht mehr live gesehen. Die Oysterband ist - dies für alle, die sie nicht kennen, eine Band, die dem Genre Folk Rock / Roots Rock zuzurechnen ist. Ich hatte sie seit 2008 jedes Jahr mindestens einmal live erlebt. Doch 2013 riß diese Serie. Darum bin ich sehr dankbar, daß es der Stadt Ginsheim Gustavsburg (das GiGu aus der Headline) erneut gelungen war, die fünf Musiker für einen Gig zu verpflichten.

Um kurz vor 19:00 Uhr am Samstag Abend traf ich mit Simone, die ich in Aschaffenburg mitgenommen hatte, an der Location ein. Die Burg Lichtspiele sind, wie es der Name bereits andeutet, ein Kino Saal, der allerdings auch als eine Art Kleinkunstbühne dient. Es ist also letztlich ein kleines, kuscheliges Venue. Eine knappe Woche vor dem Termin meldete der Veranstalter den Ausverkauft Status für den Oysterband Gig. Somit besuchten 200 Musikfreunde das Event. Altersmäßig bunt durchgemischt.

Gleich nach dem Einlaß trafen wir auf Birgit und Horst, zwei liebe Freunde, die man häufig auf Konzerten trifft. Kurz darauf gesellten sich mit Alex und Erich zwei weitere Bekannte zu uns. 

Um kurz nach 20:00 Uhr betraten Molly Alone die Bühne. Das Trio durfte den Abend als Support Act für die Oysters eröffnen. "Traditional Pop Stuff and more" haben sie sich auf die Fahnen geschrieben. Und so stiegen sie mit "Whiskey in the Jar" und "The Irish Rover" auch gleich überaus traditionell in ihr Programm ein. Es folgten eine Reihe weiterer irischer Songs und Reels, aber auch Stücke wie "Zombie" von den Cranberries oder "The Song of great indifference", welchen man zuletzt beispielsweise bei Santiano hören konnte. Mit akustischer Gitarre, akustischer Bassgitarre und Akkordeon schafften es die Drei, das Publikum mitzureißen und zum Tanzen zu bringen. Insgesamt ein gelungener Opener für diesen Abend.



Nach einer etwa 20minütigen Umbaupause kam um 21:15 Uhr die Oysterband auf die Bühne. Mit "When I'm up I can't get down" und "By Northern Light" standen zwei Klassiker aus dem umfangreichen Back Katalog der Band am Beginn ihres Sets. Danach gab es mit "Spirit of Dust" und "A River Runs" bereits die ersten Stücke aus dem neuen, im Februar 2014 erschienenen Werk "Diamonds on the water".

Schon die ersten Songs machten klar, daß sich Vocalist John Jones, Gitarrist Alan Prosser, Geiger Ian Telfer, Drummer Dil Davies und Al Scott, der den im Vorjahr aus der Band ausgeschiedenen Ray Cooper am Bass ersetzt, in einer ausgezeichneten Spiellaune befinden. Genauso hatten es Bekannte von mir, welche die Oysterband bereits in den Tagen zuvor in Leipzig oder Bochum gesehen hatten, auf facebook bereits berichtet.



Mit "Where the world devides" und "A Clown's Heart" intonierte die Oysterband danach wiederum einen Klassiker und ein neues Stück, ehe John sich sein Mellotron umhängte und sie eins ihrer can't-stand-still Instrumentals zum Besten gaben. Überall im Auditorium sah man glückliche Gesichter, die Menschen tanzten und hatten einfach nur allerbeste Laune.

Nach "No ordinary girl" trat Ian an John's Mikro und moderierte etwa zwei Minuten lang den nächsten Titel an. Wenn er auch sonst während eines Auftritts kaum eine Miene verzieht, so riß er mit seiner launigen Einführung zu "The Wilderness" das Publikum doch wiederholt zu Lachstürmen hin. Es folgte das elegische "Dancing as fast as i can", welches sowohl beim hören von CD als auch live im Konzert für Gänsehaut sorgt.

Bei "Here comes the flood" stieg John Jones wieder von der Bühne herab in die Menge. Früher wurde er dabei von Ray Cooper begleitet, heute stellt er sich alleine der "Meute". Mit "Diamonds on the water" folgte als nächstes der Titeltrack des neuen Werks, ehe die Oysterband mit "The Bells of Rhymney" dem kürzlich verstorbenen Gottvater des Folk, Pete Seeger, ihre Reminiszenz erwiesen. Schon vor vielen Jahren hatten die Oysters diesen Protest Song über walisische Bergbauarbeiter selbst aufgenommen und veröffentlicht.

Mit dem unnachahmlich anpackenden "Oxford Girl", sowie den Up Tempo Nummern "Walking down the road with you" und "The road to Santiago" beendeten die fünf ihr reguläres Set. Der Abgang von der Bühne ist dabei seit rund zwei Jahren ein ganz besonderer. Zuerst verläßt John die Bretter, die die Welt bedeuten, dann stöpselt Al seinen Bass aus und geht, bevor mit Alan der Gitarrist es ihm gleich tut. Schließlich stellt Dil seine Trommelei ein und am Ende steht nur noch Ian auf der Bühne, der sich geigend allerdings auch alsbald von dieser trollt. 



Die Band antwortet den Zugabe, Zugabe Rufen der begeisterten Fans damit, daß Ian das Outro von "The Road to Santiago" abermals anstimmt und auf die Bühne zurückkehrt. Seine Kollegen folgen ihm, steigen allesamt nochmal mit ein um schließlich mit "The world turned upside down" die erste Zugabe zu spielen. Mit "Granite Years" gönnen sie ihrem Publikum schließlich einen weiteren Gassenhauer aus ihrem Repertoire. Und dann packen sie, wie seit Jahren bestens erprobt, noch eine Gänsehaut Nummer oben drauf. Völlig losgelöst, sprich komplett ohne Strom, steigen alle fünf Musiker von der Bühne herab, stellen sich mit Snare Drum, Mandoline, Gitarre und Geige mitten ins Publikum und singen gemeinsam mit dem ergriffenen Publikum das unverwüstliche "Put out the lights", bei dem John seine Runde durch das Auditorium macht und schließlich seine Band in Richtung Garderobe in den Backstage Bereich führt. Hinter Ian schließt sich die Tür und damit ist das Konzert nach rund eindreiviertel Stunden beendet.

Zurück bleibt ein wie immer bei der Oysterband komplett glückliches Publikum, das nur wenige Minuten später die Möglichkeit hat, sich mit jedem der Oysters zu unterhalten. Die Briten kennen hier keine Berührungsängste, sondern sind offen und freundlich gegenüber ihren Supportern. Da können sich manch andere eine Scheibe abschneiden.

John freute sich über mein Statement, daß die neuen Songs nur so vor musikalischer Inspiration sprühen und das Zeug dazu haben, aus einem Funken eine Flamme zu machen und betonte, dies sei eine der schönsten Beschreibungen die er über "Diamonds on the water" je gehört habe. Und Al, der ja auch seit vielen Jahren der Produzent der Oysterband ist, ergänzte, daß sie während der recording sessions mächtig viel Spaß hatten und völlig entspannt waren. Das hört man dem Album an und mit dem Wissen im Rücken, daß man da ein echtes Juwel am Start hat, lässt es sich natürlich auch ganz locker auf die Bühnen dieser Welt gehen.

Die Oysterband ist immer eine Reise wert. Da lässt es sich auch verschmerzen, daß es mitten in Hessen keinen Ebbelwoi zu trinken gab...