Dienstag, 16. April 2013

Prog Monster der 70er - John Lees' Barclay James Harvest in concert

Als im Oktober 2012 eine Deutschland Tournee von John Lees' Barclay James Harvest bekanntgegeben wurde und einer der Termine die Band in meinen persönlichen Lieblingsclub was Live Music Venues angeht führen würde, war für mich klar, daß ich bei diesem Event vor Ort sein würde. Der Club ist natürlich der Colos Saal in Aschaffenburg, der wenige Tage vor dem Auftritt von JLBJH mit dem LEA (= LiveEntertainmentAward) als bester Musik Club Deutschlands 2012 ausgezeichnet wurde.

Für die weniger im Classic oder Prog Rock Bereich bewanderten unter meinen Lesern sei gesagt, daß es seit 1998 zwei Bands gibt, die unter dem Namen Barclay James Harvest firmieren. Zum einen gibt es Barclay James Harvest feat. Les Holroyd, jener Bassist also auf den Hits wie "Life Is For Living" oder "Berlin" zurückgehen. In dieser BJH Variante saß Originaldrummer Mel Pritchard bis zu seinem Tode im Jahr 2004 am Schlagzeug. Zum anderen gibt es John Lees' Barclay James Harvest, eine Formation, der bis zu seinem Freitod im Dezember 2010 auch BJH Gründungsmitglied Stuart "Woolly" Wolstenholme angehörte.  

Letztere "Barclays", wie die Band gerne landläufig genannt wird (Ich selbst mag diese Bezeichnung weniger), befinden sich derzeit auf einer Tour durch Kontinentaleuropa. Die Besetzung orientiert sich dabei am ursprünglichen BJH Line Up, also mit einem Gitarristen (John Lees himself), einem Bassisten (Craig Fletcher), einem Drummer (Kevin "Kev" Whitehead) und einem Keyboarder (Woollys Nachfolger Jeremy "Jez" Smith).

Um kurz nach sieben Uhr am Samstag Abend traf ich am Roßmarkt in "Aschbersch" ein. Im BJH Forum, welchem Ich seit drei Jahren angehöre, hatten sich einige Fans zu einem Vorabtreffen in der "Jazzküche", einem Szene Treff im gleichen Gebäude wie der Colos Saal, verabredet. Ich kannte zwar noch niemanden aus dem Forum persönlich, doch mein geschultes Auge erblickte alsbald eine Gruppe BJH Fans in einschlägigen T - Shirts. Ich sprach einfach einen davon an und schon war Ich mittendrin. Monika, die Chefin der Community, 70s Dreamer (von dem auch die Bilder in diesem Blog stammen), Holger und einige andere hatten schon zueinander gefunden. Endlich kenne Ich nun auch ein paar dieser netten Leute. Das Konzert selbst erlebte Ich dann später allerdings an der Seite eines Arbeitskollegen, der mit Frau und Freunden zum Konzert gekommen war.

Um 21:04 Uhr betraten JLBJH die Bretter der Colos Saal Bühne. Eine Vorgruppe gab es nicht, wozu auch? Das Publikum, durchweg 40+ wollte ja die "alten Meister" des Prog- oder auch Art Rock hören. Obwohl Ich am Eingang des Musik Tempels zwei Burschen jüngeren Geburtsdatums (Ich tippe mal so Jg. Anfang der 80er) beobachtete, die kurz die Plakate der nächsten Live Acts im Colos Saal begutachteten und von denen schließlich einer sagte: "Wow, heute spielt BJH, das ist Musik aus den 80ern. Echt geil" und die sich daraufhin noch Tickets an der Abendkasse (einige wenige gab es noch) sicherten. "Musik aus den 80ern" ist zwar nicht gänzlich falsch, doch darf man bei einem Act wie Barclay James Harvest die 1970er Jahre auf keinen Fall unter den Tisch kehren. 




Doch zurück zur Show: Diese wurde von "Fifties Child", einem mittlerweile auch schon 30 Jahre alten Stück aus dem Album "Ring Of Changes" eröffnet. Leider habe Ich es versäumt, mir während des Auftritts die Setlist zu notieren und nach dem Gig war Ich nicht schnell genug, mir eine vom Bühnenboden zu klauben - was Ich sonst doch immer so gerne tue. Darum kann Ich hier nicht alle Songs wiedergeben und wenn, dann nicht in der entsprechenden Reihenfolge. Doch ohnehin ändern John Lees und seine Truppe die Setlist von Auftritt zu Auftritt. Da fällt schon mal was raus, andere Tracks kommen dazu oder werden an einer anderen Stelle des Konzertes zu Gehör gebracht. "Child Of The Universe", das weiß Ich ganz sicher, war das dritte Stück in Aschaffenburg.

Der Start in den musikalischen Abend war noch etwas holprig, John's Gitarre zu leise abgemischt und irgendwie knisterte es noch nicht so, wie man - oder Ich - das erwartet hatte. Damit hier keine Mißverständnisse entstehen: Dies betrifft nur die ersten Minuten, änderte sich jedoch alsbald und mit einem Male war es da. Dieses Feeling, so einzigartig, daß man es erlebt haben muß. Erklären lässt sich so etwas immer eher schlecht als recht.

Dann die nächste Irritation: Nach nur 39 Minuten verabschiedete sich der Vierer in die Pause. Kurze Hochrechnung: Nochmal etwa eine solche Spielzeit und der Spaß würde viel zu früh zu Ende sein. Die Pause dauerte nur 16 Minuten und als die Band auf die Bühne zurückkam, sollte sie dort für weitere 82 Minuten (inclusive der Zugaben) bleiben. Und in diesem zweiten Teil des Auftritts ließen JLBJH sie alle raus, die Prog Monster der 70er: "Mockingbird" in der  wundervollsten Version die Ich jemals von diesem BJH Klassiker gehört habe, "She said", "Galadriel", "For No One", ein 14minütiges "After The Day". Ich schloß die Augen und beamte mich mithilfe dieses 70er Jahre Soundtracks in ein Parallel - Universum weitab jeglicher profaner Belanglosigkeiten, die in unserer multimedialen Welt die Vorherrschaft an sich gerissen haben.




Die Flötentöne muß mir niemand mehr beibringen, doch als Ich plötzlich eben solche an meiner Ohrmuschel vernahm, öffnete Ich die Augen wieder und wollte Organist Jez Smith im Stillen bereits zu einem authentischen Flötensample auf seinem von einem angebissenen Apfel verzierten Laptop gratulieren, als Ich sah, daß der Meister höchstselbst auf den Spuren des Hamelner Rattenfängers wandelte. 

Mitten in diesem Umfeld aus Meilensteinen des BJH Backkatalogs präsentierten die Musiker ihre brandneue Single "Unreservedly Yours", die eigens für diese Tour wenige Tage zuvor via iTunes und amazon veröffentlicht wurde und sich vom Fleck weg zahlreicher Downloads erfreut.  Der Song hat einen unverkennbaren Folk Touch, reiht sich im Gesamtkontext aber problemlos in das BJH Konzept ein. 

John Lees, auch dies muß an dieser Stelle mal gesagt sein, hat seine besten Zeiten als Sänger hinter sich, angesichts seines Alters von 66 Jahren sei ihm das allerdings verziehen. Craig Fletcher, der die Centerposition auf der Bühne einnimmt (John steht links außen) und als launiger Conferencier durch das Programm führt, tritt bei geschätzt 40 % der Titel als Sänger in Erscheinung. Das macht er prima und sein englischer Humor kommt auch beim deutschen Publikum bestens an.

Mit den beiden Zugaben "Loving Is Easy" und, wie könnte es anders sein?, "Hymn" beendeten John Lees Barclay James Harvest den musikalischen Abend nach letztlich etwas mehr als zwei Stunden reiner Spielzeit. Müßig zu sagen, daß sich Band und Fans bei Hymn gegenseitig hochschaukelten. Wer da nicht mitsingt, dem ist nicht mehr zu helfen. Und wem dabei keine wohligen Schauer über den Rücken laufen, muß wohl eine Ritterrüstung dort haben, wo andere Menschen über Haut verfügen.



Apropos Publikum: Wie bereits erwähnt war der Colos Saal nicht ganz ausverkauft, allerdings denke Ich mal, daß so um die 500 Leute da waren. Damit ist die Location sehr gut besucht und auch für die Künstler auf der Bühne muß es ein zufriedenstellendes Gefühl sein, auf eine Menge ohne Lücken zu schauen. Und die Musikfreunde waren's ebenso zufrieden. Ich stand nach Konzertende einige Minuten im Auditorium, ließ das eben Gesehene und Gehörte einfach nachwirken und grinste einfach nur vor mich hin. Das könnte unter Umständen ein wenig dämlich ausgesehen haben, Ich aber war einfach nur glücklich. Und bin es bis jetzt...    

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