Montag, 10. Juni 2013

Von der April Frische zum Stuhlweichmacher - Werbung war auch schon mal besser

Los ging's am 3. November 1956. Damals sendete der Bayerische Rundfunk (BR) den ersten Werbespot im deutschen Fernsehen. Beworben wurde dabei das Waschmittel Persil. Persil? Da war doch was!? Na klar, der Persil Mann. Ein Seriosität ausstrahlender Mittvierziger, der in einem tristen Raum auf einem (Dreh)Stuhl saß und im Stile eines Nachrichtensprechers (ja, damals waren das noch Nachrichtensprecher und keine "Anchormen") den Deutschen, besonders aber den deutschen Hausfrauen, erklärte, warum gerade Persil die Wäsche nicht nur rein wäscht, sondern auch pflegt. Denn zur Körperpflege würde man ja auch keine Kernseife verwenden, sondern eine Seife, die zugleich reinigt UND pflegt. Und genauso verfahre Persil mit der Wäsche. Persil. Da weiß man, was man hat.

Oder Lenor. Ein Waschmittel, welches es schaffte, einen Werbeslogan auf einen einzigen Begriff zu beschränken: April Frische. Dieser Begriff entwickelte sich zu einem geflügelten Wort, so wie Jahre später Franz Beckenbauers "Ja, is' denn heut' scho' Weihnachten?" im Zuge einer Werbekampagne für den Mobilfunkanbieter e-plus.

Und natürlich Klementine. Gekleidet in ein weißes Hemd und eine weiße Latzhose mit einer - natürlich ebenso - weißen Mütze erklärte die Schauspielerin Johanna König den ahnungslosen deutschen Hausmütterchen, daß Ariel nicht nur zum Reinweichen gut ist, sondern auch bei 60° im Hauptwaschgang bunte Wäsche blitzblank sauber wäscht. Und wenn wir schon dabei sind: Wer erinnert sich nicht gerne an Frau Tilly? Genau, das war diejenige, heute würde man sagen: Naildesignerin, die schon vor über 30 Jahren das Geschirrspülmittel Palmolive in ihrem Pedi- und Maniküre Studio zur Hand hatte, um Kundinnen mit rauer Haut zu erklären, daß diese nicht sein müsse, wenn man (frau) mit Palmolive den Abwasch verrichte. Denn: Es pflegt die Hände schon beim Spülen. Zitat Frau Tilly: "Das haben Tests mit Hautärzten bewiesen." Das Wort dermatologisch benutzte man dabei nicht, der geneigte Fernsehzuschauer sollte / wollte ja schließlich nicht mit Wissenschaft erschlagen werden.

Warum Ich in diesen alten Zeiten schwelge? Aber das liegt doch auf der Hand. Damals war die Werbung noch für alle Zuschauer erträglich. Und verständlich. Der Blendax Anti Belag Test veranschaulichte an rötlich verfärbten Zähnen, daß  Zahnstein und Zahnbelag die Vorstufe zu Karies und Parodontose sein können. Und das, ohne den moralischen Zeigefinger zu erheben oder den Zuschauer mit zuviel fachchinesch zuzumüllen.

Okay, die ein oder andere Werbung war auch damals schon ein wenig "anders". Patentex Oval zum Beispiel. Was wußte Ich denn als kleiner Steppke, daß es sich dabei um ein Schaumzäpfchen zur vaginalen Verhütung handelte? Auch ein Slogan wie "Der Fortschritt in der Empfängnisverhütung" oder später "Sicher wie die Pille" ließ mich keinen tieferen Sinn erkennen. Wie jetzt Empfängnisverhütung? Oder Pille. Welche Pille denn? Ich kannte Pille nur als Doc an Bord des Raumschiff Enterprise. Aber Werbung wie diese war seinerzeit noch die Ausnahme.

Und heute? Heute lockt uns kein Werbefuzzi mehr mit April Frische hinter'm Ofen vor. Und man badet seine Hände auch nicht mehr im Spüli. Nein. Heute geht es um Deseo, Giprocol, Dulcolax oder Vagisan. Oder anders ausgedrückt: Erektionsstörungen, Stuhlweichmacher, Abführmittel oder Salben gegen Scheidenpilz stehen im Mittelpunkt der TV Commercials. Nicht nur die Kabarettistin Monika Gruber fragt sich da völlig zurecht: Warum muß Werbung heutzutage so rektal - lastig sein. Blasenschwäche, Blähungen und Flexiform Monatsbinden sind längst ständige Begleiter des geneigten Fernsehkonsumenten. Vor allem dann, wenn er sich hauptsächlich von den privaten TV Sendern zudröhnen läßt.

Nochmal zurück zu Monika Gruber. Sie führt als Beispiel an, wie sich zwei Freundinnen zum Kaffeeklatsch treffen und Person B auf die Frage von Person A nach dem allgemeinen Wohlbefinden antwortet, sie fühle sich ständig so aufgebläht. Also wenn ich zu Freunden komme und diese mich fragen, wie es mir geht, erzähl ich ihnen sicher nicht von meinen Flatulenzen. Und das Thema,ob man(n) noch einen hochkriegt oder nicht, gehört ins eheliche Schlafzimmer. Oder in die Urologen Praxis. Aber doch nicht ins Fernsehen!   

Oder ist die Gesellschaft im 21. Jahrhundert so krank und anfällig geworden, daß man ihr ständig einhämmern muß, daß sie nur noch dank Lefax, Canesten extra, Buscopan und Gingium forte im Stande ist, ihr jämmerliches Dasein auf diesem Planeten noch einige Zeit weiter zu fristen? 

Ja, Ich sehne mich nach einer 250 Meter langen Wäscheleine, die mit von Weißer Riese gereinigter Wäsche vollhängt. Ja, Ich will auch morgen noch kraftvoll zubeißen können. Ja, ich will sehen, wie sich "uns Uwe" eine gute Handvoll SIR Irish Moos auf die Wangen klatscht. Nein, der ständige Harndrang eines Midlifecrisis gebeutelten "Fuffzigers" interessiert mich nicht. Nein, Ich will nichts über Nagelpilz im Fernsehen aufgetischt bekommen, der soll sich dort entfalten, wo er hingehört. Am Fuß. Und schon gar nicht will ich von einer Journalistin hören, daß die Geschichte der Menstruation eine Geschichte voller Mißverständnisse ist. 

Gebt mir Gummibärchen im TV, gebt mir Musketiere, die sich auf ein frisch gezapftes Pils freuen und die schöne Bäckerin, die in einer Hütte mitten im Wald leckere Haselnußschnitten bäckt. Das will ich sehen. Fröhliche Menschen, die leckere Fruchtschnäpse kippen. Oder wenigstens Thomas Gottschalk als Mona Lisa. Das kann doch nicht zu viel verlangt sein...    

       

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