Samstag, 16. Juli 2016

Von Seebären, 'ner rockenden Oma und Töchtern, die ihren Papa entführen - Santiano live und Open Air

Seit einigen Jahren mischt eine Gruppe die deutsche Musiklandschaft auf, die es schafft, Schlagerfans, Volksmusikanhänger und Headbanger unter einen Hut zu bringen. Sie spielen und singen im ZDF "Fernsehgarten" oder bei  "Immer wieder sonntags", begeistern aber auch Abertausende von Metalheads beim Wacken Open Air. Ach ja, auch die "Normalos", die sich musikalisch nicht festlegen wollen, liegen ihnen zu Füßen. Wer es schafft, all diese Strömungen auf sich zu vereinigen? Klar, da muss man nicht lange überlegen. Die Rede ist natürlich von SANTIANO, einer Band aus Flensburg, die mit norddeutschem Charme und Seemannsliedern ("Shantys"), einer gehörigen Portion Folk, gerne irisch beeinflusst, und rockigen Sounds Musik - Deutschland im Handstreich genommen hat.

Ich hatte meinem Sohn Hendrik zum Geburtstag ein Santiano Konzert geschenkt, eben das Open Air der Band im Rahmen des "Kissinger Sommers", denn wir wollten die Nordlichter schon lange mal live sehen. Nach einer nicht ganz störungsfreien Anreise waren wir gegen halb Sieben in Bad Kissingen und orientierten uns zunächst an den Hinweisschildern mit der Aufschrift " P - Open Air". Es sollte sich allerdings herausstellen, dass die ausgewiesenen Parkplätze nicht einmal ansatzweise in der Nähe des Luitpoldparks, mithin also des Veranstaltungsgeländes, gelegen waren. Somit stand uns nun ein gut halbstündiger Fussmarsch bevor, noch dazu ohne so recht zu wissen, wohin genau man denn nun laufen müsse. Doch auch eine Menge anderer Menschen liefen mit fragenden Gesichtern durch die Stadt, sodass man zumindest wusste, dass man mit seinem Problem nicht allein war. Also, dachten sich wohl auch andere, immer der Meute nach. Irgendwann würde man irgendwie schon irgendwo ankommen...




Auf etwa halbem Weg wurden Hendrik und ich mit den Worten "Entschuldigung, wissen Sie, wie man hier zum Konzert kommt" von einer kleinen Gruppe mit drei Personen angesprochen. Nein, so richtig wussten wir das natürlich auch nicht, aber schon waren wir mit den Dreien im Gespräch. Es stellte sich alsbald heraus, dass hier zwei Töchter mit ihrem Vater unterwegs waren, die ihrem Erzeuger das Konzert zu dessen 50. Geburtstag geschenkt hatten. Das machte mir die drei gleich sympathisch, bin ich doch selbst in diesem Jahr fuffzich geworden. Den letzten guten Kilometer zum Einlass marschierten wir dann also gemeinsam. Nach dem "einchecken" verloren wir uns zwar zunächst kurz aus den Augen. Doch schon bald begegneten wir uns auf der großen Wiese wieder und beschlossen, den Abend gemeinsam zu fünft zu verbringen.

Das gegenseitige Kennenlernen geht natürlich leichter mit 'nem Becher Bier in der Hand, und nachdem Hendrik und ich einen leichten Heimvorteil gegenüber den mehr als 300 Kilometern angereisten Mädels und ihrem alten Herrn (ich mag das gar nicht so schreiben, schließlich bin ich ebenso alt) hatten, konnten wir diesbezüglich mit unserem Wissen über das heimische Bier, und von welchem man besser die Finger lassen sollte, glänzen. Aber natürlich stießen wir trotzdem miteinander an und so verging die Zeit bis zum Konzertbeginn doch recht flott.




Um Punkt 20 Uhr ertönte laut ein Schiffsnebelhorn von der Bühne her und im Anschluß lief (früher hätte man an dieser Stelle geschrieben: vom Band, heute muss es heißen: vom Laptop) "Over The Rainbow" von Israel Kamakawimo'ole. Danach der Sound von Meereswogen, die am Strand anlanden und schließlich fiel der riesige Vorhang und Santiano legten mit "Lieder der Freiheit" los. Sofort waren die (lt. dem Internetportal infranken.de) mehr als viertausend Musikfans voll da und sangen und klatschten begeistert mit. Schon gleich zu diesem frühen Zeitpunkt gab Sänger und Bassist Björn Both nach dem Anschlag von Nizza ein politisch motiviertes Statement ab ("Wir lassen uns den Spaß am Leben nicht von islamistischen Idioten verderben"), wofür er einstimmig Applaus erhielt.  

Jedermann und jede Frau scheint die Lieder von Santiano zu kennen. Unmittelbar neben uns feierte u.a. eine gut betagte Dame, ich möchte sie hier einmal respektvoll - frech Rock - Oma nennen, die meist schwungvollen Seemannslieder und irischen Traditionals ebenso ab, wie ihre (Ur) Enkelin, die ebenso im Kreise tanzte wie auch viele andere Besucher dieses Konzertes. Fans mit T Shirts verschiedener Metal Events wie Summer Breeze, Metal Hammer Paradise oder WOA tummelten sich neben Geschäftsfleuten in Schlips und Kragen oder schick gekleideten Damen, die in ihren High Heels über die Wiese stöckelten. Fee, die jüngere der beiden Töchter unseres Allgäuer Trios, hatte davon erzählt, dass sie einige Wochen zuvor beim Iron Maiden Konzert war. Doch sie zeigte sich auch bei den Gassenhauern von Santiano ein ums andere Mal textsicher. Ebenso wie ihre Schwester Nina sang sie die Hits wie "Salz auf unserer Haut", "Frei wie der Wind", "Santiano" oder "Auf nach Californio" begeistert mit. Und Arthur, der Herr Papa, war total happy, dass seine Mädels ihm diesen Tag geschenkt hatten, denn als selbständiger Geschäftsmann kommt er nach eigenen Worten "nicht oft raus" und so sind für ihn Events wie dieses Open Air eher die Seltenheit.




Auf der Bühne zündeten Santiano derweil ein Feuerwerk ab. Allein im regulären, 22 Lieder umfassenden, Set fanden sich zehn Songs der aktuellen Santiano Langrille "Von Liebe, Tod und Freiheit", die das gleiche Hitpotential haben wie die Stücke der beiden vorherigen Alben "Mit den Gezeiten" und "Bis ans Ende der Welt". Hervorzuheben sind hier vielleicht das hymnenhafte "Walhalla (Bis in alle Ewigkeit)", die eingedeutschte Fassung des Hooters Hits "All You Zombies", die fetzigen "Sieben Jahre" oder "Gott muss ein Seemann sein", natürlich aber auch die Balladen und mit irrsinnig viel Inbrunst dargebotenen "Weh mir" und "Die letzte Fahrt". Erst nach rund 105 Minuten war der reguläre Teil des Konzertes beendet.




Nachdem die Menge lautstark "Zugabe" gefordert hatte, kamen Björn Both, Pete Sage, Axel Stosberg und "Timsen" Hinrichsen, flankiert von ihren drei Gastmusikern, darunter der frühere Truck Stop Gitarrist Dirk Schlag, auf die Bühne zurück. Nun nahmen sie alle auf Hockern Platz, selbst der Drummer rückte mit nach vorne in die erste Reihe und Timsen kündigte als erste Zugabe ein Stück des nordfriesischen Liedermachers Knut Kiesewetter an. "Fresenhof" leitete dann ein Zugaben Set ein, welches aus vier quasi unplugged gespielten Stücken bestand. Es folgten "Blow Boys Blow" und die beiden unverwüstlichen Irish Folk Kracher "Whiskey In The Jar" und "Irish Rover". Müssig zu sagen, dass die Stimmung nun ihren Zenit erreichte. Ganz und gar unpassend war allerdings, dass die Dame vor uns zum Refrain von "Whiskey In The Jar" (Musha ring dum - a - do dum - a - da, Whack for my Daddy - o, whack for my Daddy - o, there's Whiskey in the jar) jeweils in den 35 Jahre alten "Ententanz" - Move verfiel.    




Aber die Menge hatte noch nicht genug und Santiano hätten wohl jetzt auch noch gar nicht Feierabend machen wollen. Denn natürlich hatten sie auch noch einen zweiten Zugabe Block vorbereitet. Und so kamen sie abermals auf die Bühne zurück und Axel stimmte mit "Kinder des Kolumbus" das mittlerweile siebenundzwanzigste (!) Lied des Abends an. Im Anschluss feierten Band und Fans mit "Hoch im Norden" ein stimmungsvolles Finale, umrahmt von einer imposanten Lightshow und auch der Mond schien freudig auf die Open Air Besucher herab. Hach, war das schön. Fast zweieinhalb Stunden lang hatten Santiano die Besucher in der Kissinger Musikarena im Luitpoldpark bestens unterhalten. Da war wohl niemand dabei, der unzufrieden nach Hause ging.

Nina, Fee, Arthur, Hendrik und ich brachen ebenfalls auf, wir hatten ja noch ein gutes Stück des gemeinsamen Wegs vor uns. Durch das mondäne, stimmungsvoll illuminierte Kurviertel der Stadt mit seinen imposanten Gebäuden wie dem Hotel "Kaiserhof Victoria" oder dem Regentenbau strebten wir unseren jeweiligen Parkplätzen entgegen. Die drei Allgäuer und wir zwei Spessarter hatten zusammen jede Menge Spaß an diesem Abend und wenn alles klappt, haben wir uns nicht zum letzten Mal gesehen. 

Hendrik und ich waren nach einer guten Stunde Fahrt gegen zwanzig nach Zwölf wieder zuhause angekommen. Reicher um die Erfahrung unseres ersten Santiano Konzertes. Aber sicher nicht des Letzten...

Die Setlist zum Konzert gibt es im nachfolgenden Pic: (zum vergrößern auf das Bild klicken)      



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