Mittwoch, 10. Oktober 2012

Die Bayern3 Kinopremiere: Angels' Share

Der Radiosender Bayern3 gibt seinen Hörern seit 15 Jahren die Möglichkeit, neue Kinofilme schon vor dem offiziellen Start im Kino sehen zu können. In der sogenannten Bayern3 Kinopremiere. In dieser Woche gab es nun die 200. Kinopremiere des Senders. Mehr als 400.000 Kinokarten wurden seither verschenkt. Denn das ist das Besondere an diesen Events. Die Zuschauer holen sich ihre Kinokarten einen Tag zuvor an der Kinokasse ab - zahlen aber nichts dafür. Im Falle von Angels' Share gab es sogar noch eine Gratis Eintrittskarte für die Distillerie Slyrs am Schliersee als Beigabe.

Zum ersten Mal überhaupt erlebte Ich also am Dienstag eine Bayern3 Kinopremiere. Klar, ein Film, in dem es um schottischen Single Malt Whisky geht, ist natürlich wie gemacht für mich. Also wappnete Ich mich mit einem mit Laphroaig (für Nicht-Whisky-Kenner: das spricht sich Lafroyg) gefüllten Flachmann und besuchte am Dienstag Abend das Programmkino Casino in der Aschaffenburger Innenstadt. Daß Ich nicht der einzige Kinobesucher mit einem "wee dram" (schottisch für "einen kleinen Schluck) sein sollte, würde sich später noch herausstellen. Doch dazu mehr an geeigneter Stelle.

Eine Bayern3 Kinopremiere hat den Vorteil, daß man nicht mit Werbung und Trailern anderer Filme zugemüllt wird. Lediglich eine kurze Einführung seitens der (in diesem Fall) lokalen BR Redakteurin mit Wissenswertem zum Film geht der Aufführung voraus. Und dann heißt es auch schon "Film ab".   

Um eins vorweg zu nehmen: Angels' Share ist keine romantisierende, mit wunderschön fotografierten Landschaftsaufnahmen der Highlands gespickte Liebeserklärung an Schottland. Eine Liebeserklärung ist es aber doch. Der Film springt zwischen den Genres Komödie und sozialkritischer Studie hin und her. Und wird dadurch niemals langweilig. Und keine Angst: Unterhaltsam ist Angels' Share zu jeder Zeit. 



Erzählt wird die Geschichte von Robbie. Robbie ist ein kleinkrimineller Twen aus Glasgow, der die Sonnenseite des Lebens noch nie gesehen hat. Und vermutlich auch nie sehen wird. Der einzige Grund, warum er nach seiner letzten Schandtat nicht im Bau landet, ist die Tatsache, daß er in wenigen Tagen Vater wird. Robbie wird zu 300 Stunden gemeinnütziger Arbeit verdonnert. Beim Tapeten von der Wand abkratzen und säubern öffentlicher Parkanlagen in Glasgow lernt er den wahrscheinlich einzigen Sozialarbeiter mit Herz, Harry, sowie die anderen gescheiterten Existenzen Albert, der immer etwas länger braucht um etwas zu raffen, die kleptomanisch veranlagte Mo, die immer und überall was mitgehen lassen muß, und Rhino, der vom Typ her wohl noch am ehesten auf seiner - Robbie's - Linie liegt, kennen.

Das Leben der Vier würde wohl ewig auf der Verlierer Seite weitergehen, würde Harry, der Sozialarbeiter, seine Schutzbefohlenen nicht eines schönen Tages in eine Whisky Distillerie chauffieren. Dabei offenbart sich, daß Robbie ein feines Näschen für hochgeistige Destillate mitbringt.

Daraufhin fahren die Fünf zu einem Whisky Tasting nach Edinburgh. Angesichts des Edinburgh Castle, welches Albert noch nie gesehen hat und daraufhin fragt, was das da oben auf dem Hügel sei, sieht sich Harry genötigt zu fragen, wo Albert denn bislang gelebt habe. In einem Schrank? Hier zeigt sich, daß Touristen das Land Schottland vermutlich besser kennen, als die Einheimischen. Auch Highlander müssen für blöde Sprüche herhalten, ähnlich wie die "Bayern-Seppls" für manchen "nördlich-des-Weißwurscht-Äquators" lebenden Deutschen.

Ausblende aus dem Film, dafür eine Momentaufnahme aus dem Publikum beleuchtend: Als zum erstenmal im Film ein Single Malt verkostet wird, regt sich auch im gut besuchten Kinosaal etwas. Von verschiedenen Stellen hört man ein "plop". Nicht nur Ich war also mit einem guten Schluck ausgestattet ins "Casino" gekommen. Sláinte mhath. (Gälisch für Prost; sprich: sloontsche waah).

Zurück zum Film: Als den drei Jungs und dem Mädel klar wird, daß es in den Highlands ein Faß des wohl seltensten Whiskys der Welt gibt, machen sie sich - mittlerweile in Kilts gehüllt - auf gen Norden, um der Auktion dieses hochpreisigen Geistes beizuwohnen - und ihn auf nicht ganz legale Weise zu ihrem Eigen zu machen. Dabei offenbart sich vor allem Albert als der schottischen Tradition nicht gerade entsprechender Großstädter.



Ich möchte an dieser Stelle das Ende des Films nicht vorweg nehmen. Darum gehe Ich noch einmal auf Reaktionen seitens des Kinopublikums ein. Das Premierenpublikum in Aschaffenburg setzte sich, wahrscheinlich ebenso wie in den sieben anderen bayerischen Städten die in den Genuß der Preview kamen, aus vorwiegend Schottland- und Whiskyerfahrenen Frauen und Männern zusammen. Darum gab es öfter herzhafte Lacher und Kommentare zu hören. Allein schon deshalb muß man sich den Film noch mindestens einmal mehr reintun, um auch wirklich jeden Dialog verstanden zu haben. Rein akustisch natürlich. Denn der Film lebt von seiner Atmosphäre, die es brilliant versteht, Unterhaltung mit erhobener-Zeigefinger-Pseudo-Studie zu verbinden.

Regisseur Ken Loach setzte bei seiner augenzwinkernden Komödie in erster Linie auf Laiendarsteller - und dem Vernehmen nach wurde Paul Brannigan, Darsteller des Protagonisten Robbie, danach vom Fleck weg für eine Rolle neben Scarlett Johannson verpflichtet.  

Mein - positives - Fazit lautet also: Schottland- und (vor allem) - Whisky Fans: Reingehen. Tut Euch diesen Film an. Fernab von jeglicher Rosamunde Pilcher Romantik zeichnet er ein Bild des wahren Schottland, läßt aber dennoch genügend Raum für ein Traumland im nördlichen Teil Großbritanniens.    

Prädikat: 10 von 10 wee drams ;)

Hier berichtet das ZDF heute journal über den Film

Hier geht's zur offiziellen Website des Films

Hier lang zu einem älteren Blog von mir über ein Whisky Tasting

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